„Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit von Krankheit,
sondern ein Zustand körperlichen und geistigen, seelischen Wohlbefindens.“ –Mica Bara
Heute, am 10. Oktober, ist es wieder soweit: Zum 28. Mal findet der World Mental Health Day statt. Ich werde ihn diesmal zum Anlass nehmen, über den Hintergrund dieses Tages zu schreiben; darüber, warum dieser Tag so eine große Bedeutung (für mich) hat und warum wir alle, jeder Mensch, eine psychische Gesundheit hat. Außerdem möchte ich kurz reflektieren, wie weit wir auf dem Weg zu mehr Offenheit schon gelangt sind und was es noch für große Baustellen gibt.
World Mental Health Day
Hier ein bisschen etwas zum Hintergrund:
Am World Mental Health Day stehen weltweit Bildung, Bewusstsein und Engagement rund um seelische Gesundheit im Fokus:
- Was ist die seelische Gesundheit?
- Wie weit verbreitet sind psychische Krankheiten?
- Und wie können wir es als Gesellschaft schaffen, die Themen seelische Gesundheit und psychische Krankheiten aus dem Tabu-Bereich herauszuholen?
Ziel ist es, einen übergreifenden Gesundheitsbegriff im Bewusstsein der Menschen und in den Gesundheitssystemen zu verankern. Denn wie gesund kann der Körper sein, wenn die Seele erkrankt?
Spätestens beim Thema „Stress am Arbeitsplatz“ wird uns doch klar, dass die Trennung von körperlicher und seelischer Gesundheit nicht mehr praktikabel ist.
Warum ist es wichtig, mit Themen rund um mentale Gesundheit offen umzugehen?
Ganz einfach! Ich möchte mich nicht zensieren. Meine Erkrankungen sind schon lange Teil meines Lebens und werden es auch noch einige Zeit bleiben. Sie gehören (leider) genauso zu mir wie ein Hobby, meine Arbeit oder mein Lieblingsessen. Ich muss mit ihnen leben. Und genauso, wie sich eine Person gerne mal Luft darüber verschafft, dass sie… sagen wir, Probleme dabei hat, ihr Leben mit Diabetes zu leben, sich da umzustellen und für sich zu sorgen, möchte ich auch sagen können:
„Hört mal, ich komme jetzt gerade aus der Klinik, hatte eine intensive Therapie. Nehmt es mir nicht übel, wenn ich mich erst noch einfinden muss, mich daran gewöhnen muss, jetzt wieder anderen Ansprüchen gerecht zu werden.“
Ich möchte damit nicht sagen, dass ich Mitleid möchte – denn das ist es ganz bestimmt nicht. Meine Erkrankungen haben mich auch stark gemacht – aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Ich möchte einfach nur auf Akzeptanz stoßen und nicht das Gefühl haben, einen Teil von mir selbst verstecken zu müssen. Denn das ist mir auf die Dauer einfach zu anstrengend.
Ich möchte nicht auf Stigmatisierung treffen, nicht wegen irgendwelcher Diagnosen oder Narben an den Armen. Ich möchte bewertet werden wie jede:r andere, aber eben auch so offen leben können wie jede:r andere. Ich arbeite gerne und ich arbeite gut. Ich komme nicht zu spät, nur weil ich eine depressive Phase habe. Nein. Ich bin ein zuverlässiger Mensch.
Und darüber können wir sprechen, Erfahrungen austauschen, Vorurteile ausräumen und einfach uns (mit)teilen.
Denn wenn wir mal ehrlich sind: Wer kann nicht eine gute Portion Ehrlichkeit und Selbstfürsorge gebrauchen?
Viele der Dinge, die wir hier in der Klinik lernen, könnten die meisten Menschen gebrauchen: Emotionen differenzierter zu betrachten, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören und wieder mehr auf Gefühle und Handlungsimpulse zu vertrauen – um nur ein paar Dinge zu nennen.
Was sagt ihr dazu?
Ich habe die Frage auch an euch auf Instagram gestellt, und hier kommen ein paar Antworten, bei denen sich alle einig sind: Es wäre gut, offener auch über psychische Erkrankungen reden zu können!
„Ich glaube, dass, wenn man offen darüber sprechen kann und da eine Akzeptanz da ist, man weniger Angst haben müsste, mit abweichendem Verhalten aufzufallen (auch wenn man seine Arbeit vielleicht trotzdem gut hinkriegt!)“ – Liv.
„Das würde ich auch so unterschreiben. Viel weniger ‚omg, was passiert, wenn die das jetzt rausfinden‘. Und manches lässt sich dann viel besser einodnen, während es andernfalls einfach als ‚irgendwie komisch‘ auffällt“ – Lucia
„So wie wir alle uns plötzlich ein Bein brechen können, ist es möglich, dass wir es selbst mit einer psychischen Erkrankung zu tun bekommen. Und dann sind wir nicht ‚verrückt‘, sondern erkrankt und brauchen Unterstützung. Wenn wir eine offene, moderne Gesellschaft sein wollen, sollten wir auch begreifen, dass unsere Psyche auch gepflegt werden sollte […]“ – Mica
Wer hat eine mentale Gesundheit?
Jeder Mensch hat eine mentale Gesundheit, die bewusst oder unterbewusst mit Dingen wie Stress, Ärger oder anderen Emotionen zusammenhängt. Psychische Erkrankungen sind oft Phänomene, die jede:r kennt, nur eben viel intensiver, sodass der Leidensdruck steigt und ein „Krankheitswert“ entsteht. Jedes Jahr sind ca. 25 % der Erwachsenen von einer psychischen Erkrankung betroffen. Das wäre also ca. jede:r Vierte. Wenn man da noch die Angehörigen als Mitbetroffene ins Boot holt, ist das doch ein ziemlich großer Teil der Menschheit, der leider immer noch zu oft vor einem riesigen „Tabu!“-Schild steht. Tatsächlich sind auch die psychischen Erkrankungen die häufigste Ursache für Erwerbsunfähigkeit.
Da wir alle auch mal erschöpft sind, einen schlechten Tag haben oder traurig sind, brauchen wir ein Wissen darüber, dass wir Einfluss auf diese Dinge haben. Das lernen wir nur leider nicht in der Schule.
Ein weit verbreiteter Vergleich ist der mit einem Akku. Die meisten von uns stecken ihr Telefon abends an die Steckdose, damit das Handy am nächsten Tag genug Energie hat, um sie im Alltag zu begleiten. Aber was ist mit unserer Energie?
Wenn ich zum Beispiel eine Freundin fragen würde, wie voll ihr Akku grade ist, würde sie mich wahrscheinlich verwirrt angucken. Allenfalls würde sie sogar auf ihr Handy schauen und mir die Prozentzahl sagen. Aber wie bewusst sind uns eigentlich unsere eigenen Energiereserven?
Wisst ihr, welche Tätigkeiten euch Energie kosten, und welche euch Energie schenken? Achtet ihr darauf, dass ihr am Ende nicht mit einem Minus-Akku aus dem Tag geht? Achtet ihr genug darauf, Dinge zu tun, die euch zur Ruhe kommen oder auch einfach mal abschalten lassen?
Mental Health in der Gesellschaft
Kennt ihr das? Immer höher, immer weiter, immer schneller?
Vielleicht denkt der eine oder die andere jetzt gerade an eine:n Chef:in, an das Marathontraining oder an den bevorstehenden Urlaub. Du musst ja was zu erzählen haben. Du musst ja etwas leisten. Und am besten noch mehr als die anderen.
Aber jetzt denkt mal an euren Akku. Merkt ihr noch, wenn euer Körper euch das Zeichen gibt: „Hey, warte mal, ich brauch ne Pause!“? Oder liegt ihr regelmäßig mit einer Erkältung im Bett, habt Kopfschmerzen oder könnt euch nicht mehr entspannen?
Wir müssen lernen, wieder auf unseren Körper zu achten. Einige können das besser, andere müssen es sich erst wieder aneignen. Aber das lohnt sich. Es ist eine wunderbare Präventivmaßnahme gegen allerlei Krankheiten – und nicht nur gegen psychische Leiden. Ihr habt davon sicher schon gehört. 🙂
Nur, wie weit sind wir wirklich in dem Thema Mental Health? So manch einer mag glauben, wir haben schon einen weiten Weg hinter uns. Gerade in den sozialen Medien macht es den Anschein, wo es gerade eine Art Trend zu sein scheint, Gedanken über Krankheiten, Probleme und Einschränkungen Luft zu machen.
Aber das ist eben Social Media. Wir können teilen, was wir teilen wollen, aber die Gesamtheit einer Person bekommen wir nicht mit. Ich kann auf meinem Instagram–Profil auch über psychische Probleme schreiben und mein reales Umfeld immer noch nichts darüber wissen lassen.
Außerdem merke ich immer wieder, dass es darauf ankommt, in welchem Umfeld man sich so aufhält. Ich zum Beispiel habe großes Glück, in meinem Arbeitsumfeld auf viel Verständnis und Interesse zu stoßen. Wir sollten uns auch immer darüber im Klaren sein, dass wir uns angreifbar machen, wenn wir über unsere psychischen Probleme sprechen. Egal, ob jetzt online oder offline. Menschen können ausnutzen, was sie als vermeintliche Schwäche verstehen.
Und das ist traurig.
Deshalb ist es wichtig, dass es den Mental Health Day gibt. Für mehr Bewusstsein. Für mehr Akzeptanz. Und für größere Freiheit. Wieder einmal.
Danke.
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