Das Leben in Worten – Teil 1

 

Bloß nichts vergessen, aber alles aufschieben

 

An meinem Update arbeite ich noch. Hier ein paar Zeilen der letzten Tage. Einfach geschrieben, um den Kopf zu leeren.
Viel Spaß damit.

Eins

Es ist bereits Juni. Der zweite.
Drei Uhr früh.
Ich liege im Bett, schaue auf die fast leere Batterieanzeige und habe trotzdem das Gefühl, jetzt grad drauflosschreiben zu müssen. 

Wie wäre es, wenn ich nun jeden Tag einfach ein paar Ereignisse aufschreiben würde? Wie würde es sich anfühlen, den Alltag in Form einer Geschichte festzuhalten?
Genau so, wie er passiert, oder eben … wie ich ihn wahrnehme?

Einen Versuch ist es wert. 

Ob ich aus einem bestimmten Grund aufgewacht bin, weiß ich nicht mehr. Dennoch fühle ich mich wach. Oder müde. Oder beides gleichzeitig. Doch morgen wird ein anstrengender Tag werden, Leute sehen in der Beratungsstelle, einkaufen gehen, Busfahren und abends Training. Ich werde den Schlaf brauchen. Und das grelle Licht meines Laptops nervt meine Augen merkbar. Ich beschließe also, den Versuch zu wagen, wieder einzuschlafen. Was auch immer mich in der Traumwelt erwartet.

Zwei

Ich weiß nicht, wann ich eingeschlafen bin. Nur, dass ich noch eine ganze Weile Textfetzen im Kopf hin und her gewälzt, begeistert von dieser Idee, einfach draufloszutippen.

Jetzt ist es 9:02 Uhr. Um 10 muss ich bei der Beratungsstelle sein und ich beginne gerade erst, mir den Schlaf aus den Augen zu reiben – nachdem ich ca. 1,5 h lang Wecker überhört haben muss.

Ich habe allerdings auch sehr spannend geträumt. Immer wieder schleicht sich das Theater in meine Träume ein, egal, ob das alte oder das Loft. Diesmal war es das alte, ein Stück – Frau Müller muss weg – welches ich an die 100 mal eingeleuchtet und technisch begleitet (gefahren) habe. 

Egal – ich wische die Erinnerungen weg.

9:10 Uhr. Ich habe mir einen Cappuccino gemacht, einen Post auf Instagram gelesen und bin nun unschlüssig. Ich warte auf die nächsten Tage – habe aber auch Angst. Mein seidener Rest-Faden emotionaler Stabilität hängt davon ab, was bei den Gesprächen nächste Woche herauskommen wird.

Und wieder schleicht sich das Theater in meine Gedanken.

Es ist 9:13 Uhr.

Drei

Ich sitze bei Lisa im Wohnzimmer. Der Fernseher läuft Two and a half Men, eine Serie, die so platt ist, dass ich eventuell nicht mal versuchen sollte, den Sinn zu verstehen. Die Uhr des Laptops ist auf 9:33 Uhr stehen geblieben. Dabei war schon vor Stunden die Frühstücksgruppe. Viele Stimmen, viele Menschen, die ich kaum kenne. Alles Klienten und Klientinnen bei der Vereinigung. Fr. J. war da, bat um ein Gespräch nach dem Frühstück.

Eigentlich sitze ich nicht, ich liege auf Lisas Sofa. „Schön, dass du dich so wohl fühlst, du hattest ja gesagt, du müsstest dich erst daran gewöhnen, an Freundschaft und so, und jetzt liegst du auf meinem Sofa.“

Das verwirrt mich. Ich bin müde. So müde. Es war keine Geste… ach, naja. Sicher genug fühle ich mich. Die Schuhe auszuziehen, nicht jeden Moment fluchtbereit zu sein. Wie stehe ich zu ihr? Ich weiß es nicht. Ich habe ihr ein vierblättriges Kleeblatt geschenkt, sie gefragt, ob wir nächste Woche zusammen einen Film schauen wollen. Eher aus Pflichtgefühl – ich habe sie seit Wochen nicht teilhaben lassen an meinem Leben. Ich fühle mich schlecht. Scham. Weil ich nicht weiß, was andere von mir erwarten. Was eine gute Bekannte tut. 

Ich gehe. Mittlerweile ist es 16:34 Uhr und die Uhr auf dem Laptop läuft wieder. Ich rauche eine Zigarette, schaue mir die Straßen an, auf denen ich laufe, auf dem Weg nach Hause. Und ich höre Andrew und Penny zu, auf ihrer wilden Reise nach sich selbst, in dem Hörbuch „Ich und die Anderen“ von Matt Ruff.

 

Ein kleines Schaf, weiß

Vier

Es macht Ping.
Eine Mail.
Vom Integrationsfachdienst. Die Ernte der heutigen Arbeit mit Fr. Julia.
Es soll wieder Arbeiten gehen. Am Dienstag findet ein Gespräch statt, zwischen mir, meiner Chefin und Fr. J. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass sie mitkommen kann.
Ich habe Angst. Aber ich warte auch drauf. Auf meine Arbeit. Denn ich liebe meine Arbeit.
Ich lese die Mail. Lese „Teilrentenantrag“. Ich schließe die Mail. Will keinen Beratungstermin.
Verschließe mich selbst.
Ich bin doch nicht „kaputt“.
Alt bin ich auch nicht.
Ich will doch nur Zeit.
Ich hasse Menschen,
Ich hasse das System. 

Fünf

Natürlich ist diese Mail an den Fachdienst nicht unsere ganze Arbeit. Wir haben auch das Gespräch für nächsten Dienstag vorbereitet, meiner Chefin einen Terminvorschlag geschickt und den morgigen Termin bei der Psychiaterin vorbereitet. Ich werde allein hingehen. Ich schaffe das.

Der Cursor taucht auf und verschwindet wieder. In eintöniger Regelmäßigkeit.

Mittlerweile fressen sich Löcher in die To-do-Liste, die ich so akribisch führe. Bloß nichts vergessen, aber alles aufschieben. So oder so. Zufrieden mit mir werde ich nie sein.

Die Depression schleicht sich an, schon seit ein bis zwei Wochen lauert sie mir auf, verfolgt mich, lässt mich aufwachen und trotzdem müde sein. Legt ihre Schwere zunehmend auf meine Schultern, die bald eigentlich wieder leisten müssen, obwohl eine Stimme ganz laut sagt: „Du kannst nicht – du hast keine Energie“.

Ich hasse diese Stimme. Darf ihr nicht recht geben, denn – so bin ich nicht. Ich muss weitermachen, immer weitermachen, und hoffen, dass sie am Ende nicht doch recht behält.

Aber die Stimme hat mittlerweile Konkurrenz. Da gibt es so vieles. Vieles, das weitaus positiver klingt.

Danke

Fortsetzung folgt…

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